Stellungnahme des Ministeriums zum Oberhauser-Interview

Wer sich noch erinnern kann: am 8. Juni 2016 haben wir an Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser den auf dieser Website publizierten Offenen Brief geschrieben, in dem der Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft Dr. Wolfgang Jaksch und die Sprecherin der Allianz Chronischer Schmerz, Dkfm. Erika Folkes,  auf ihre im KURIER Interview  gemachten Aussagen hingewiesen und um eine Stellungnahme gebeten haben. 6 Monate später ist eine solche eingetroffen. Allerdings nicht von der Ministerin selbst, sondern von ihrem Sektionschef Dr. Clemens Auer, der  sie jetzt immer häufiger vertritt. Lesen Sie selbst:

 

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

Geschäftszahl: BMGF-71000/0096-I/C/13/2016

Datum: 02.12.2016

Schmerztherapie; Interview von Bundesministerin Dr. Oberhauser im KURIER vom 3.6.2016

 

Sehr geehrter Herr Präsident Dr. Jaksch!

Sehr geehrte Frau Dkfm. Folkes!

Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen dankt für Ihren Offenen Brief an Bundesministerin Dr. Oberhauser vom Juni d. J. und bedauert, dass die Beantwortung Ihres Schreibens nicht früher möglich war.

Grundsätzlich halten wir fest, dass Ihre Darstellung der Versorgung von Schmerz-patientinnen und -patienten in Österreich auch aus Sicht der Frau Bundesministerin und des Ministeriums in mancher Hinsicht leider zutreffend ist. Dies betrifft insbesondere die langen Wege der PatientInnen bis zur richtigen Diagnose und zur richtigen Therapie.

Es steht auch außer Frage, dass Schmerzpatientinnen und -patienten interdisziplinär und multiprofessionell behandelt werden müssen. Schmerz ist ein typisches Beispiel für die Interdisziplinarität in der Medizin und mit anderen Gesundheitsberufen, die in die Versorgung von SchmerzpatientInnen eingebunden sind (z.B. Physiotherapie).

Vor diesem Hintergrund ist die von Ihnen zum Ausdruck gebrachte „Verwunderung“ über das Interview der Bundesministerin im Kurier vom 3.6.2016 für uns nicht nach-vollziehbar, zumal auf den interdisziplinären Aspekt der Schmerztherapie ausdrücklich hingewiesen wurde.

Davon grundsätzlich unabhängig ist die Frage, in welchem „Setting“ Schmerztherapie stattfindet. Schmerztherapie als alleiniges Merkmal für Betten oder Ambulanzen ist wohl zu kurz gegriffen. Vielmehr ist Schmerz grundsätzlich für alle Ärztinnen und Ärzte sowie auch für weitere Gesundheitsberufe ein relevanter Aspekt im Rahmen ihrer Tätigkeit. Daher bedarf es einer „Individualisierung“ dahingehend, welche Berufsgruppe welche Patientengruppen mit chronischem Schmerz aus welchem Blick-winkel gut betreuen kann. Aus dieser Perspektive kann es nur um eine Kombination von mehreren Aspekten (z.B. die Schmerzambulanzen in orthopädischen Abteilungen) gehen. Diesbezüglich konnten wir bisher allerdings keine einhellige Meinung innerhalb der Ärzteschaft beobachten.

Ihre Kritik, wonach etwa in den Wiener öffentlichen Spitälern keine Betten speziell für SchmerzpatientInnen zur Verfügung stehen, nehmen wir zur Kenntnis. Wir weisen aber darauf hin, dass es jedem Krankenhaus bzw. Krankenhausträger unbelassen ist, Betten speziell für SchmerzpatientInnen zu widmen, sei es im Rahmen bestimmter Fachrichtungen, sei es Rahmen von interdisziplinären Behandlungsbereichen.

Dasselbe gilt für die Einrichtung bzw. Führung entsprechender spitalsambulanter Strukturen, denn wie Sie richtig darauf hinweisen, sind ebenso auch qualifizierte ambulante Behandlungsmöglichkeiten erforderlich, um allenfalls unnötige stationäre Aufenthalte, die nur mangels Möglichkeiten zur interdisziplinären ambulanten Behandlung stattfinden, zu reduzieren. Darüber hinaus hat in einem abgestuften Versorgungssystem auch der niedergelassene Bereich eine bedeutende Rolle in der Schmerztherapie.

Inwieweit die Schmerztherapie im niedergelassenen Bereich durch die bestehenden Kassenverträge mit Vertragsärztinnen und -ärzten bzw. Vertrags-Gruppenpraxen in ausreichendem Maß sichergestellt ist, lässt sich angesichts der innerhalb der Sozial-versicherung unterschiedlichen Honorarkataloge und Vertragsgestaltungen generell nicht beantworten und unterliegt wohl auch unterschiedlichen Einschätzungen, je nach regionaler und/oder fachspezifischer Betrachtung.

Uns ist bekannt und bewusst, dass die Honorarkataloge der verschiedenen sozialen Krankenkassen hinsichtlich der Abgeltung bestimmter Leistungen nicht immer ausgewogen sind. Ohne Frage sind hier in mancher Hinsicht „Korrekturen“ erforderlich. Darüber hinaus erwarten wir uns aber insbesondere von der seitens des Gesundheitsministeriums initiierten Entwicklung von multiprofessionellen und interdisziplinären ambulanten Versorgungseinheiten (Primärversorgung und ambulanten Fachversor-gung) wesentliche Verbesserungen auch im Bereich der Schmerztherapie, wie sie ein allein tätiger niedergelassener Arzt oder allein tätige niedergelassene Ärztin natürlich nicht leisten kann.

Im Übrigen ist ein Schmerzdiplom der ÖÄK eine Weiterbildung im Rahmen der Sonderfachausbildung oder der Ausbildung zum Allgemeinmediziner. Sie führt zu einer Vertiefung in einem bestimmten Bereich, setzt aber eine Grundkompetenz voraus. Somit ist die Ausbildung mit jener in Deutschland vergleichbar.

Das bisher Ausgeführte konnte wohl in dem im Kurier wiedergegebenen Halbsatz, wonach interdisziplinäre Schmerztherapie „auch in Stationen oder beim niedergelassenen Arzt stattfinden“ kann, nicht im vollen Umfang zum Ausdruck gebracht werden. Die Frau Bundesministerin ist weder, wie Sie behaupten, schlecht beraten und informiert, noch gibt es irgendeinen Grund, der Thematik mit Zynismus zu begegnen, wie Sie fälschlicherweise unterstellen.

Vielmehr ist längst der Auftrag erteilt worden, einen Qualitätsstandard für Schmerztherapie zu erarbeiten. So wurde bereits eine umfassende Literaturrecherche (ca. 4.000 Leitlinien) durchgeführt, auf deren Basis derzeit eine Expertengruppe über Inhalt, Struktur und Qualität eines entsprechenden Qualitätsstandards berät. Selbstverständlich werden dabei auch die Erfahrungen mit Versorgungsmodellen anderer europäischer Länder berücksichtigt.

Weiters sind im Rahmen der neuen Ärzteausbildung in verschiedenen Fachausbildungen einzelne Schwerpunktmodule dem Schmerz gewidmet (z.B. Anästhesie und Orthopädie). Wir gehen davon aus, dass die neue Ärzteausbildung, insbesondere auch die darin vorgesehene Spezialisierung in psychosomatischer Medizin, zu einer entscheidenden Verbesserung der Qualität der Anamnese und Behandlung von Schmerzpatientinnen und -patienten führen wird.

Wir hoffen, mit diesen Ausführungen den im Rahmen des Interviews der Frau Bundesministerin im Kurier vom 3.6.2016 zitierten Satz, der die Schmerztherapie betrifft, mit entsprechenden Hintergrundinformationen ergänzt und damit die Position und die Aktivitäten der Bundesministerin und des Gesundheitsministeriums klargestellt zu haben und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Für die Bundesministerin:

Dr. Clemens-Martin Auer